Interview mit Thilo Corzilius

Liebe Blogleser,

 

vor ein paar Wochen gab es bereits ein Gemeinschaftsinterview mit Fabienne Siegmund und Thilo Corzilius.

Nun hat sich Thilo noch einmal zehn Frage in einem Einzelinterview gestellt, in dem es auch um sein Buch "Alles was dazwischenliegt" geht. (Zur Rezension: Klick mich)

 

Nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen des Interviews :).

 

~Kristina~

 

Interview

(c) Thilo Corzilius
(c) Thilo Corzilius

 

Lieber Thilo,

wir durften dich ja bereits bei einem gemeinsamen Interview mit Fabienne Siegmund kennenlernen. Nun bekommst du noch einmal ein paar Einzelfragen, die auch dein Buch „Alles was dazwischenliegt“ thematisieren soll.

Schießen wir doch gleich damit los…

 

1. Erzähl uns doch ein bisschen zur Entstehungsgeschichte von „Alles was dazwischenliegt“. Wie kamst du auf die Idee des Buches?

 

Das „Wie“ kann ich immer schwer ermitteln bei Ideen. Ich kann mich immer nur noch an das „Wann“ erinnern. Das war in diesem Fall, als ich in Bonn inmitten von Umzugskartons saß und überhaupt keine Zeit zum Schreiben hatte. Da hatte ich auf einmal das Bild von dem Jungen mit dem Gitarrenkoffer, der an einem Seeufer sitzt, im Kopf – und ich wollte wissen, wie er dorthin gekommen war. Ideen fragen bekanntermaßen ja nicht danach, ob man Zeit hat oder nicht. ;)

 

2. Mira und Valentin machen einen Roadtrip quer durch Deutschland. Hast du selbst schon einmal solch ein Trip ins Blaue gemacht bzw. mit gewissen Zielen vor Augen? Wenn nicht, würdest du gerne mal so eine Reise unternehmen?

 

Ja, habe ich schon. In Valentins und Miras Alter habe ich das ein paar Mal gemacht, nach der Schule und während des Zivildienstes – einfach bloß in eine grobe Richtung losfahren, ohne ausgearbeitete Pläne. Diese Spontantrips waren oft nur wenige Tage lang, aber jeweils sehr intensiv. Als es zum Studium nach Hamburg ging, habe ich dann meinen Wagen, es war ein kleiner lila Corsa, verkauft, denn in der Elbmetropole brauchte ich kein Auto. Und da auch niemand, den ich dort kannte, ein eigenes Auto hatte, war diese Art von Trips dann vorbei.

 

3. Auf Sylt begegnen die beiden dem blinden Nick. Dieser Charakter ist auch sehr interessant. Bist du aus einem bestimmten Grund darauf gekommen über einen blinden Mann zu schreiben?

 

Ich habe mich (auch etwa in Miras und Valentins Alter) einmal länger mit jemandem unterhalten, der blind war und dessen Lebenseinstellung mir sehr imponiert hat. Einige der Dinge, die Nick im Roman sagt, stammen aus diesem Gespräch und ich wollte diese Gedanken immer mal in irgendeiner Form in einem Buch unterbringen. „Alles, was dazwischenliegt“ hat sich da angeboten.

 

4. Du beschreibst den verlassenen Spreepark in Berlin. Warst du selbst bereits dort? Oder aus welchen Gründen hast du den Freizeitpark in deinem Roman mit eingebaut?

 

Nein, ich habe es bislang leider nicht dorthin geschafft. Führungen dort sind leider nicht sehr häufig und Berlin ist zu weit weg von Freiburg, um mal eben so einen Abstecher zu machen. Also musste ich mich auf das Internet mit Bildern, YouTube-Videos, TV-Berichten und Karten verlassen. Ich wollte einen faszinierenden verlassenen Ort im Roman haben – und der Spreepark hat mich fasziniert, auch wenn ich noch nicht dort war.

 

5. Valentin schreibt in eine Kladde. Bist du ein Tagebuchschreiber? Oder konzentrierst du dich ausschließlich beim Schreiben auf deine schriftstellerischen Fähigkeiten ;-)?

 

Nein, ich schreibe kein Tagebuch. Aber ich denke, dass Kreativität im Allgemeinen ein guter Weg ist, das zu verarbeiten, was man selbst so erlebt. Ein Tagebuch zu schreiben kommt mir dabei sehr direkt vor, weil darin Erlebnisse schriftlich festgehalten werden. Gut möglich, dass in dem, was ich tue (Songs und Geschichten schreiben) auch von Zeit zu Zeit mal ein paar Dinge verarbeitet werden. Aber das ist nicht das Ziel, sondern ich möchte schöne neue Dinge schaffen und gute Geschichten erzählen. Wenn ich also z.B. eine persönliche Begegnung in das Nick-Kapitel einfließen lasse (s. vorletzte Frage), dann tue ich das, weil mich das Erlebnis prägt und inspiriert – aber nicht, weil ich etwas Erlebtes im Wortlaut festhalten will, oder es durch das Schreiben für mich reflektieren will oder vielleicht sogar aufarbeiten muss.

 

6. Valentin beschäftigt sich viel mit dem Thema Tod. Du arbeitest als Theologe. In wie weit musst du dich mit diesem Thema auseinandersetzen?

 

Die Auseinandersetzung mit dem Tod kommt als Seelsorger natürlich immer mal wieder vor. Was mir dabei oft auffällt: Tod und Sterben sind Themen, die wir in unserer Gesellschaft oft sehr erfolgreich aus unserem Alltagsleben verbannt haben. Zum einen, weil die Sterblichkeit dank besserer medizinischer Versorgung nicht mehr so hoch ist, wie z.B. noch vor 100 oder 150 Jahren. Zum anderen auch, weil es mit Krankenhäusern, Hospizen etc. Orte für den Tod gibt, die man nicht betreten muss (falls man nicht gerade dort liegt oder dort arbeitet). Man kann den Tod also völlig aus der eigenen Wahrnehmung ausblenden, wenn man möchte – und viele Menschen möchten das auch, weil sie nicht an ihre eigene Sterblichkeit erinnert werden wollen. Ich würde mir wünschen, dass Tod und Sterben wieder ein bisschen mehr als Bestandteil des Lebens akzeptiert würden – denn daran vorbei führt am Ende ohnehin nichts. Ich denke, es tut uns nicht gut, dass wir dort oft so viele künstliche Berührungsängste aufbauen.

 

7. In der Geschichte begeht Mira einen „Vertrauensbruch“. Wie würdest du auf einen Vertrauensbruch reagieren?

 

Wie jemand in einem Moment von extremem Verletzt-worden-sein reagiert, ist immer unterschiedlich. Ich kann es von mir selbst daher gar nicht genau sagen. Aber ich schätze, ich würde ebenfalls überreagieren und/oder Dinge sagen, die ich nicht so meine. Interessant fand ich, dass die meisten Leserinnen Miras Vertrauensbruch scharf verurteilt haben. Dass Valentin sie förmlich dazu einlädt oder sogar anstiftet, wurde oft nicht mehr so stark wahrgenommen, wie ich zuvor gedacht hätte. Aber es ist gut, wenn so etwas passiert, weil es mir zu denken gibt. Es heißt nämlich, dass die Geschichte an dem Punkt nicht hundertprozentig so funktioniert hat, wie ich es geplant hatte bzw. an der Stelle nicht ganz die gedachte Wirkung erzielt hat. Solche Erkenntnisse sind sehr wertvoll, denn sie geben mir die Möglichkeit, mich als Schriftsteller zu verbessern. Und außerdem ist es schön und spannend, wenn ich sehe, dass die Geschichte bei den Leserinnen zu einem ganz eigenen Kopfkino wird, das eben nicht mein eigenes ist.

 

8. Liest du selbst gerne Bücher? Und wenn ja, welches Genre bevorzugst du oder gibt es sogar ein persönliches Lieblingsbuch?

 

Natürlich lese ich gerne. :) Allerdings bin ich oft ein sehr langsamer Leser. Ein Buch muss mir eine gute Geschichte gut erzählen – und dieses Kriterium funktioniert unabhängig von Genres. Ein Lieblingsbuch gibt es nicht, weil die ständig wechseln und weil es einfach zu viele großartige Bücher gibt. Als am 23. April Welttag des Buches war, gab es den Hashtag #5Books, unter dem man fünf Lieblingsbücher twittern konnte. Meine waren „American Gods“ von Neil Gaiman, „Margos Spuren“ von John Green, „Fool on the Hill“ von Matt Ruff, „Altes Land“ von Dörte Hansen und „Die Kunst des Feldspiels“ von Chad Harbach. Das ist aber eine absolute Momentaufnahme und die Liste könnte ich jederzeit beliebig erweitern und ergänzen.

 

9. Schreibst du bereits an deinem nächsten Roman? In welche Richtung soll dein nächstes Buch gehen?

 

Ich schreibe meistens an etwas. ;) Im Abstand von vielen Wochen kehre ich immer mal wieder zu einem weiteren Jugendbuch zurück, aber das wächst nur sehr langsam. Den überwiegenden Teil der freien Zeit zum Schreiben nimmt gerade ein ziemlich klassischer Fantasyroman ein (ganz dezent mit ein paar Extras gewürzt, die ihm hoffentlich den gewissen „Sense of Wonder“ verleihen).

 

10. Wie stellst du dir deine nächste Reise vor? Eher erholsam oder abenteuerlich? Wo zieht es dich eher hin: In die Natur oder in die Großstadt?

 

Ich glaube, ich bin irgendwo zwischen „In die Natur oder in die Großstadt“. Ich entdecke gerne (historische) Städte für mich. Und ich liebe raue Landschaften und das Meer über alles. Dort, wo es schön ist und wo meine Freunde sind, kann ich auch gerne mal ein paar Tage bleiben und faul sein – allerdings kann ich mich nicht all-inclusive eine Woche an den Strand legen. Da würde ich unruhig werden, wenn es nichts zu entdecken gäbe.

 

Vielen Dank, dass du ein zweites Mal für ein Interview bereit warst :-).

 

Ich habe zu danken!

 

 

Informationen zu "Alles was dazwischenliegt"

Autor: Thilo Corzilius
Verlag: Forever Ullstein
Seitenanzahl:
 224
E-Book-ISBN:
 978-3-95818-164-9
Internetseite des Verlags:http://forever.ullstein.de/ebook/alles-was-dazwischen-liegt/

 

 

Klappentext:

 

Die 18-jährige Mira wird nach dem Abitur aus heiterem Himmel von ihrem Freund verlassen und landet obendrein noch mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Der Einzige, der sie dort besucht, ist der geheimnisvolle Valentin, den Mira nur als schweigsamen Gitarristen der Schulband kennt. Als Mira begreift, wie oberflächlich ihr Leben eigentlich ist, lässt sie sich spontan von Valentin zu einem Roadtrip überreden. Ihr erstes Ziel: die Nordseeinsel Sylt. Auf der Reise kommen sich die beiden näher. Doch Mira fragt sich immer häufiger, wieso Valentin so oft davon spricht, dass man sein Leben in vollen Zügen genießen müsse, solange man kann. Bis sie endlich hinter sein Geheimnis kommt.

 

Hier geht es zur Rezension: Klick mich